Wenn Banken, Investmentfonds und Versicherer Treibhausgase reduzieren, dann machen sie dies über die Reduzierung ihrer sogenannten Portfolioemissionen. Dies bedeutet, dass die Finanzunternehmen weniger Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen finanzieren und sich mehr der Finanzierung von Unternehmen mit geringem CO2-Fußabdruck zuwenden. In einer Übergangsphase der Transformation kann dies durchaus bedeuten, dass es zu Finanzierungsengpässen für einige Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß kommen kann, auch wenn diese in CO2-Reduktion investieren.

Auf die Unternehmen in NRW kommt ein immenser Investitionsbedarf im Rahmen der digitalen und klimaneutralen Transformation zu. Dieser Investitionsbedarf wurde in der Studie Transformation in NRW: Wie kann die digitale und klimaneutrale Transformation in NRW am besten finanziert werden? abgeschätzt. Neben staatlichen Infrastrukturinvestitionen müssen auch die Unternehmen gewaltige Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität tätigen. Die Studienautoren gehen von jährlichen Investitionssummen in Höhe von 45,4 bis 55,1 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030 in NRW aus. Hinzu kommen Investitionen in Digitalisierung von schätzungsweise rund 17,2 Mrd. Euro. Für Banken, Investmentfonds und Versicherungen besteht ein großes Potenzial, die Transformation in NRW zu finanzieren.

Auch die Finanzbranche wird klimaneutral

Banken, Investmentfonds und Versicherungen sind ebenfalls auf dem Weg hin zur Klimaneutralität. Zwar gehören die Finanzierer nicht zu den emissionsintensiven Branchen, aber sie finanzieren Unternehmen, die Treibhausgase ausstoßen. Wenn Banken und Versicherer Treibhausgase reduzieren, dann machen sie dies über die Reduzierung ihrer sogenannten Portfolioemissionen. Dies sind die Emissionen der Unternehmen, die sie finanzieren. Neben dem Kreditrisiko sind Kennzahlen zur Nachhaltigkeit somit eine wichtige Grundlage für eine Finanzierungsentscheidung geworden. Die Standards der Brancheninitiative PCAF (Partnership for Carbon Accounting Financials) helfen bei der Ermittlung, wie hoch die Treibhausgasemissionen sind, die finanziert wurden. Mitglied der Initiative sind weltweit 260 Banken, Investmentfonds und Versicherungen, darunter 14 Institute aus Deutschland. Die Mitglieder sind in der Regel Banken mit einem Schwerpunkt in Bereich Nachhaltigkeit, die diesen freiwilligen Standard anwenden.

Portfolioemissionen als neue Steuerungsgröße

Die Portfolioemissionen werden in den Assetklassen Aktien und Anleihen, Kredite, Immobilien und Immobilienfinanzierung, Projektfinanzierung und Autofinanzierung ermittelt. PCAF schlägt eine Einteilung der Emissionen in drei Klassen vor. Unter Scope 1 fallen Emissionen, die direkt beim finanzierten Unternehmen entstehen. Unter Scope 2 werden indirekte Emissionen zusammengefasst, die aus Elektrizität, Heizung oder Kühlung entstehen, die das finanzierte Unternehmen als Dienstleistung einkauft. Scope 3 geht darüber hinaus. Hierin enthalten sind zusätzliche nicht in Scope 1 und 2 enthaltene Emissionen, welche über die Wertschöpfungskette entstehen. Upstream Emissionen entstehen durch die Emissionen von eingekauften Materialien. Downstream Emissionen entstehen durch die Benutzung der Produkte und Dienstleistungen durch den Endkunden oder dadurch, dass Mitarbeiter zum Arbeitsort fahren.

Diese Einteilung berücksichtigt die unterschiedlichen Hebel, die Unternehmen nutzen können, um klimaneutral zu werden. Sie zeigt aber auch die Komplexität der Messung von Treibhausgasemissionen auf Unternehmensebene auf. Ein Unternehmen, das den Mitarbeitern Anreize für den Arbeitsweg mit dem Fahrrad setzt, kann dadurch Scope 3 Emissionen, nicht aber Scope 2 oder Scope 1 Emissionen senken. Ein Hersteller von Elektroautos hat möglicherweise geringere Scope 3 Emissionen als ein Hersteller von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Der Hersteller von Elektrofahrzeugen könnte aber höhere Scope 2 Emissionen als der Hersteller der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor haben, sofern letzterer grünen Strom einkauft. Diese Beispiele zeigen, dass die Art der Messung von Emissionen für die Finanzierung zentral ist. Ist ein Finanzierer auf geringe Scope 1 Emissionen fokussiert, so kann er trotzdem Unternehmen mit hohen Scope 2 und Scope 3 Emissionen finanzieren. Ein Unternehmen, dass Scope 3 Emissionen gesenkt hat, nicht aber Scope 1 Emissionen, würde dann nicht zur Senkung der Portfolioemissionen einer Bank, die die Scope 1 Emissionen in ihrem Portfolio senken möchte, beitragen.

Auf die Messung der Portfolioemission folgt die Steuerung der Portfolioemissionen. D.h., dass Banken und Versicherungen auf dem Weg zur Netto-Null versuchen müssen, ihre Portfolioemissionen zu reduzieren. Eine Reduzierung der Portfolioemissionen bedeutet aber insgesamt, dass die Finanzunternehmen zunehmend weniger Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen finanzieren und sich mehr zur Finanzierung von Unternehmen mit niedrigem CO2-Fußabdruck zuwenden. In einer Übergangsphase der Transformation kann dies durchaus bedeuten, dass es zu Finanzierungsengpässen für einige Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß kommen kann, auch wenn diese in CO2-Reduktion investieren. So könnte eine Bank mit bereits hohen Portfolioemissionen einen Kreditantrag ablehnen, sofern der Kunde noch zu viel CO2 emittiert bzw. dies nicht ausreichend reduzieren kann. Dies gilt auch für den Fall, dass der Kunde über eine hohe Bonität verfügt. In diesem Fall müsste der Kunde versuchen, eine Bank zu finden, die über geringere Portfolioemissionen verfügt und noch Raum in ihrem sich selbst gesetzten CO2-Budget hat, um diesen Kunden zu finanzieren. 

EU-Taxonomie definiert Nachhaltigkeit

Allerdings befinden sich die CO2-intensiven Branchen ohnehin ebenfalls in einem Transformationsprozess hin zu mehr Klimaneutralität. Wenn sich die Banken oder die Versicherer von diesen Unternehmen abwenden, so kann dies dem Ziel der Klimaneutralität auch entgegenwirken, denn das Ziel der Transformation ist ja auch, dass traditionelle Branchen digital und Produkte wie Stahl oder Zement klimaneutral werden. Aus diesem Grund ist es für die Unternehmen auch wichtig, frühzeitig in CO2-Reduktionen zu investieren, da Banken und Versicherungen ansonsten zu verhalten mit einer Anschlussfinanzierung sein könnten.

Die Taxonomie zur nachhaltigen Finanzierung der EU trägt diesem Aspekt dahingehend Rechnung, dass auch der Weg eines Unternehmens hin zur Klimaneutralität als nachhaltige Aktivität gewertet wird. Mit der EU-Taxonomie findet eine Einteilung von Aktivitäten statt, anhand derer Investoren und Finanzierer ermitteln können, ob ein Unternehmen und dessen Aktivitäten als nachhaltig eingestuft werden kann. Die Taxonomie geht über die Messung der Emissionen hinaus. Denn sie definiert Nachhaltigkeit an den Kriterien Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität der Ökosysteme. Damit eine wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig gilt, muss sie zu mindestens einem dieser Ziele beitragen. Als nachhaltig gilt demnach die Herstellung von CO2-armen industriellen Produkten oder die Stromerzeugung aus Sonne oder Wind, aber auch der CO2-arme Verkehr, CO2-arme Gebäude oder Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien.

Während die Banken die Transformation vor allem über die Kreditvergabe unterstützen, werden die Gelder der Versicherer vor allem über Anleihen in die Transformation mobilisiert. Für sie stellt der Green Bond Standard ein wichtiges Anlageinstrument dar, denn dieser Bond ermöglicht es ihnen, ihre Portfolioemissionen einfach zu messen und zu steuern. Das besondere an einem Green Bond im Vergleich zu einer herkömmlichen Anleihe ist, dass die Emissionserlöse eines Green Bonds nur für Aktivitäten eines Unternehmens verwendet werden können, die konform mit der EU-Taxonomie sind. Damit können auch Unternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoß einen Green Bond emittieren. Sie dürfen die eingenommenen Gelder dann aber nicht für die allgemeine Finanzierung des Unternehmens, sondern nur für die nachhaltigen Projekte in ihrem Unternehmen verwenden. So hat zum Beispiel die RWE Green Bonds emittiert, um Wind- und Solarprojekte zu finanzieren.

Bei der Messung der Portfolioemissionen von Banken und Versicherern spielt die Digitalisierung eine herausragende Rolle. Denn Banken und Versicherungen müssen Datenbanken aufbauen, um die CO2-Emissionen ihrer einzelnen Aktiva zu dokumentieren. Damit zeigt sich, dass es sich bei der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit nicht um separate Trends handelt, denn die Digitalisierung kann den Unternehmen helfen, nachhaltiger zu werden.

Beratung für Unternehmen in Bezug auf Sustainable Finance wichtig

Neben dem Kreditrisiko ist nun mit der Klimaneutralität ein weiterer Parameter zur Portfolioentscheidung von Banken und Versicherern hinzugekommen. Mit Sustainable Finance hat eine Neuregulierung der Finanzmärkte stattgefunden, die ähnlich disruptiv wirkt, wie die Einführung des Kreditrisikoansatzes aus Basel II.

Dadurch kommen bei den Unternehmen durchaus Sorgen auf, dass ihnen der Zugang zu Finanzierung in Zukunft erschwert wird und der bürokratische Aufwand in Zukunft steigen wird. Während die großen Unternehmen im Bereich der Investor Relations auch eine Abteilung für Sustainable Finance aufgebaut haben, so ist in der Tat zu befürchten, dass der bürokratische Aufwand einer Kreditbeantragung für kleinere Unternehmen zu hoch sein könnte, so dass diese die Vorteile der nachhaltigen Finanzierung nicht effizient nutzen können.

An dieser Stelle ist es wichtig, dass die KMU auch ausreichend Beratungsangebote erhalten. In der Studie Transformation in NRW wurde zur Unterstützung der Unternehmen der Aufbau eines Kompetenzzentrums Sustainable Finance für NRW vorgeschlagen, dessen Hauptaufgabe die Bereitstellung von Materialien für Unternehmen ist, mit denen sie die Anwendung der Taxonomie für ihr jeweiliges Geschäftsfeld besser ermitteln können. Die Vernetzungsplattform Fin.Connect.NRW kann helfen, die Unternehmen aus NRW sichtbarer für Banken, Investmentfonds und Versicherungen zu machen und sie so im Transformationsprozess zu unterstützen.


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