Gastbeitrag von
Thomas Buschmann, Vorsitzender des Bankenverbands Nordrhein-Westfalen
in der Börsen-Zeitung, Sonderbeilage „Wirtschaftsraum NRW“

Der Bankentag NRW ist etwas ganz Besonders: Erstens wird er von den vier kreditwirtschaftlichen Verbänden – Bankenverband NRW, Sparkassenverband Westfalen-Lippe, Rheinischer Sparkassenverband und dem Genossenschaftsverband – Verband der Regionen – gemeinsam organisiert, das ist bundesweit einmalig. Zweitens ist er die wichtigste Dialog-Plattform zwischen Kreditwirtschaft und Politik, Regulierern und Aufsehern, Verbänden, der Wirtschaft und der Wissenschaft, die heute bereits zum dritten Mal mit erneut rund 250 Teilnehmern stattfindet. Drittens behandeln die zahlreichen hochkarätigen Panelisten aktuelle Themenschwerpunkte: Vor fünf Jahren stand „Digitalisierung“ im Vordergrund, vor drei Jahren „Nachhaltigkeit“ und in diesem Jahr diskutieren unter anderem Ministerpräsident Hendrik Wüst, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Finanzminister Marcus Optendrenk, BaFin-Präsident Mark Branson, Bundesbank Vorständin Sabine Mauderer und Prof. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, wie die Herausforderungen der Transformationsfinanzierung für ein nachhaltigeres und digitalisierteres Wirtschaften gelingen kann.

Auch dieses Mal gibt es wieder viel zu besprechen. Seit Beginn des Jahres ist die Taxonomie in Kraft, mit klaren Aufträgen und engen Fristen zur Umsetzung. Banken und Sparkassen arbeiten mit Hochdruck an der Datenerhebung für die neuen ESG- Ratings, der Klassifizierung von Emissionswerten ihrer Kunden und der Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien in die Unternehmensfinanzierung. Hier sind noch viel Überzeugungsarbeit und Aufklärung notwendig. Bei den Firmenkunden ist das Thema zwar inzwischen angekommen, es vergeht kein Kundengespräch, ohne über Nachhaltigkeit gesprochen zu haben. Doch es gibt noch viel Unsicherheit, und vor allem fehlt noch der Impuls zur Umsetzung.

Dabei bringt die nachhaltige Transformation den Unternehmen viele Vorteile. Durch die Umstellung auf umweltfreundliche Prozesse kann das Unternehmen seinen CO2- Fußabdruck reduzieren und Kosten einsparen. Es kann sich als Vorreiter im Bereich Umweltschutz positionieren und ein positives Image aufbauen. Nachhaltiges Wirtschaften stärkt auch die Resilienz gegen Krisen, von denen mehr als bisher klimabedingt sein werden, und schützt präventiv vor Reputationsrisiken. Nachhaltige Maßnahmen steigern die Attraktivität des Unternehmens für Kunden und Mitarbeiter, die zunehmend Wert auf Umweltverträglichkeit legen. Zudem fördert eine nachhaltige Transformation Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, da Unternehmen neue Produkte und Technologien entwickeln können, die den Bedürfnissen des Marktes entsprechen. Insgesamt trägt eine nachhaltige Transformation zu einem langfristigen Erfolg des Unternehmens bei. Der IT-Dienstleister infosys hat in einer Studie den Zusammenhang zwischen ESG und Gewinnwachstum erforscht: Eine Steigerung der ESG-Ausgaben um zehn Prozent korreliert mit einem höheren Gewinn von einem Prozentpunkt.

Dazu ist aber ein chancenorientiertes Narrativ notwendig, um zu Investitionen zu motivieren. Die Taxonomie auf den Begriff „Bürokratiemonster“ zu reduzieren, ist der falsche Ansatz. Das verunsichert Unternehmer, die dann lieber erst einmal abwarten. Damit aber der Umbau der Wirtschaft gelingt, muss die Politik schleunigst die Rahmenbedingungen so setzen, dass die erforderlichen Summen in die Transformation auch investiert werden können. Also nicht nur sagen, was künftig nicht mehr geht oder mit Verboten drohen, sondern klar benennen, auf welche alternativen Energieträger und Infrastruktur Unternehmer bauen können, die dann aber auch zur Verfügung stehen müssen. NRW-Unternehmer-Präsident Arndt Kirchhoff sorgt sich um die mittelfristige Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere, wenn die energieintensive Wirtschaft abwandere oder Produktionsstandorte verlagere. „Wir brauchen ein neues Nordrhein-Westfalen-Tempo“, die Genehmigung von Investitionen und Infrastrukturprojekten müsse deutlich schneller werden. Oder anders ausgedrückt: Die Wirtschaft braucht jetzt Lösungen.

Banken sind ein Teil dieser Lösung. Mit einer Informationskampagne in Zusammenarbeit mit der NRW.Bank, der Energy4Climate sowie den Kammern und Verbänden geben wir insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen praxisnahe Handlungsleitfäden, was sie jetzt tun müssen. Wir entwickeln neue Finanzierungsinstrumente und arbeiten mit der NRW.Bank an nachhaltigen Förderprogrammen. Es braucht dieses Zusammenspiel von Bankkredit, Kapitalmarktinstrumenten und den gezielten Einsatz öffentlicher Gelder. Wichtig ist dabei ein starker europäischer Kapitalmarkt, um die erheblichen Investitionsvolumen stemmen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle „grünen“ Investments ohne Risiko sind. Die Investitionsbereitschaft sollte durch die Einrichtung eines Absicherungsfonds erhöht werden, der nur dann einspringt, wenn ein Transformationsinvestment schief gehen sollte, aber dann die Investoren vor Ausfällen schützt.

Banken brauchen auch mehr „Beinfreiheit“, um künftig die Transition von Digitalisierung und Nachhaltigkeit überhaupt finanzieren zu können. Genau wie die Banken Unternehmensfinanzierung um ESG-Kriterien erweitern, muss auch die Regulierung die Besonderheiten der Taxonomie so gestalten, dass Investitionen nicht be- oder gar verhindert werden, also bei aller geforderten Sorgfalt mehr Flexibilität zeigen. Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling hat in der Börsen- Zeitung die Finanzbranche zu mehr Fantasie aufgefordert, bei der Finanzierung des klimafreundlichen und digitalen Umbaus der Wirtschaft neue Wege einzuschlagen und mehr Risiken zu nehmen. Auch wenn keine regulatorischen Lockerungen zu erwarten sind, ist diese Aussage als Zeichen zum Aufbruch zu verstehen, damit Deutschland global nicht abgehängt wird.

Die Aufgaben liegen auf dem Tisch, sie müssen jetzt konsequent abgearbeitet werden. Das IW Köln hat ergänzend zu seiner wegweisenden Studie zur Transformationsfinanzierung in einer Expertenbefragung festgestellt, dass politische Risiken befürchtet werden, die unter anderem die Komplexität förderten und zu mehr Rechtsunsicherheit führten. Dabei geht es für die Unternehmen bei der Taxonomie im Kern um zwei Punkte: Erstens den Nachweis des „grünen Impacts“ auf alle Produkte und Prozesse, und zweitens um mehr Transparenz in der Darstellung der Geschäftstätigkeit. Jede weitere Aufschieberitis wird zu echten Standortnachteilen führen, außerdem bedarf die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz.

Die Banken stehen zu ihren Kunden als Partner und werden sie durch den Transformationsprozess begleiten. Bei Sustainable Finance ist zwar noch vieles im Fluss, so fehlen noch viele gerade für private Investoren essenzielle Standards und Daten zur Bestimmung des Rendite-Risiko-Verhältnisses. Aber der neue europäische Standard für Green Bonds als freiwilliges Gütesiegel ist ein gutes Beispiel für den Fortschritt. Auch mit der Fin.Connect.NRW als einem Netzwerk, das Informations- und Finanzierungslücken für nachhaltige Investitionen schließt, die Awareness bei den Unternehmen verbessert und den übergreifenden Austausch auch zwischen Start-ups, der Wissenschaft und Kapitalgebern intensiviert, ist eine bundesweit vorbildliche Initiative entstanden.

NRW ist die Wiege der Transformation, das Land kann Strukturwandel. Die Liquiditätslage der mittelständischen Unternehmen in NRW ist – allen Krisen zum Trotz – gut. Nun gilt es, in die Zukunft zu investieren. Das Ziel der NRW- Landesregierung, das erste klimaneutrale Industrieland zu werden, ist ambitioniert, aber schaffbar. Die Kreditwirtschaft hat eine Art Mandat der EU bekommen, die Transformation umzusetzen. Wenn alle mitmachen, wird das auch gelingen. Wir sind überzeugt: 2023 wird das Jahr der Investitionen für NRW werden.

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