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Die Finanzierung der nachhaltigen und klimaneutralen Transformation der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen könnte durch die Kreditverbriefung unterstützt und gehebelt werden. Für Fin.Connect.NRW ist die Verbriefung ein wichtiges Thema, denn sie kann die Finanzierung der Unternehmen der Realwirtschaft mit dem Kapitalmarkt zusammenführen und neue Möglichkeiten der Transformationsfinanzierung eröffnen. Der Workshop im Rahmen von Fin.Connect.NRW am 19. Oktober 2022 in der Hauptverwaltung Nordrhein-Westfalen der Deutschen Bundesbank in Düsseldorf diente dazu, die Chancen, aber auch die noch bestehenden Hemmnisse der Verbriefung für die Transformationsfinanzierung aufzuzeigen und zu diskutieren.

Auf globaler Ebene und auch in NRW ist Sparkapital vorhanden, das nach Investitionsmöglichkeiten sucht. Für viele kleinere und mittelständische Unternehmen ist der Anleihenmarkt allerdings unattraktiv, da sie entweder nicht über den Bekanntheitsgrad von börsennotierten Unternehmen verfügen oder die geforderten Mindestemissionsvolumina im Vergleich zu ihrer Unternehmensgröße zu hoch sind. Zudem sind Berichtspflichten und Transparenzanforderungen für kleinere und mittlere Unternehmen mit zu hohen administrativen Kosten verbunden, so dass sich eine Finanzierung über Hausbankenkredite besser darstellen lässt. Über die Kreditverbriefung können die Banken diese Kredite aber als Portfolio verbriefen und an Investoren (z. B. institutionelle Investoren) verkaufen, ihre Bilanz steuern und so Eigenkapital für die Neukreditvergabe freisetzen sowie die KMU-Finanzierung mit dem globalen Kapitalmarkt ein Stück weit entlasten.

Die Verbriefung hat allerdings durch die globale Finanzkrise 2007 –  2009 an Reputation eingebüßt, da insbesondere in der Verbriefung von US-amerikanischen Krediten Risiken intransparent waren und Ratings zu optimistisch vergeben wurden. Auch wenn der europäische Verbriefungsmarkt durch geringere Ausfallraten gekennzeichnet war, so ist dieser im Gegensatz zum US-Markt nach der Finanzkrise nicht mehr in Schwung gekommen. Wie der europäische und deutsche Verbriefungsmarkt wieder an Bedeutung gelangen könnte und wie dieser für die Finanzierung der klimaneutralen Transformation genutzt werden kann, war Thema des Workshops.

Der Präsident der Hauptverwaltung in Nordrhein-Westfalen der Deutschen Bundesbank, Herr Jochen Metzger, begrüßte als Gastgeber die Referenten und Gäste und wies dabei darauf hin, dass in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland und NRW zu wenig investiert worden sei. Dadurch konnten wirtschaftliche Potenziale nicht mehr ausgeschöpft werden. Transformation benötige deshalb, so Metzger, in erster Linie Investitionen, für die inzwischen auch die Zeit dränge. Denn Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, wie wichtig es sei, sich von russischen Energieimporten abzukoppeln und zu diversifizieren. Dies schaffe aber auch mehr Druck auf den Strukturwandel. Benötigt werden nun Finanzierungen für eine dekarbonisierte und resiliente Energieversorgung, so Metzger. Eine wichtige Rolle in der Finanzierung käme daher der Verbriefung zu, auch wenn diese im Zuge der Globalen Finanzmarktkrise in den Jahren 2007 – 2009 gelitten habe. Dennoch sei diese als Finanzierungsinstrument wichtig. Die Chancen und Risiken der Verbriefung müssen deshalb neu diskutiert werden.

Herr Dr. Jakoby (Wirtschaftsministerium NRW) betonte in seiner Begrüßung die Relevanz von Fin.Connect.NRW als Plattform, um die verschiedenen Akteure aus Finanzwirtschaft und Realwirtschaft zusammenzubringen. Dies sei wichtig, um die passgenaue Finanzierung der notwendigen Investitionen in Digitalisierung und Klimaneutralität sicherzustellen. Hierbei betonte er insbesondere, dass die neue Landesregierung Fin.Connect.NRW und zudem die Rolle der NRW.BANK in der Transformationsfinanzierung stärken werde. Herr Dr. Jakoby begründet die Relevanz einer Finanzierungsplattform damit, dass die Sparquote in NRW sehr hoch sei, gleichzeitig die Investitionsquote unter dem Bundesdurchschnitt liege. Damit sei NRW volkswirtschaftlich gesehen ein Kapitalexporteur. Fin.Connect.NRW sei damit eine wichtige Säule, um dieses Kapital stärker in NRW zu nutzen, so Jakoby. Hier spiele auch die Verbriefung eine wichtige Rolle, denn sie verknüpfe den Kapitalmarkt mit der Kreditvergabe.

Sebastian Schütz von der Bundesbank hielt den ersten Fachvortrag. Für die Transformation spiele seiner Ansicht nach das Mindset eine große Rolle. So sei für die Finanzierung der Entwicklung neuer Technologien Venture Capital essentiell und US-amerikanische Pensionsfonds sehen dies ganz selbstverständlich als eine ganz normale Assetklasse an. In Deutschland sei das Mindset aber stärker auf Sicherheit und weniger auf Chancen ausgerichtet, wodurch diese Assetklasse als sehr riskant angesehen werde, so Schütz. Dies könnte die Transformation in Deutschland behindern. Denn im Strukturwandel müssten auch Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden. Ähnlich wie bei Venture Capital sei aber das Mindset auch bei den Verbriefungen zu risikoavers ausgerichtet und würden die Chancen zu wenig gesehen. Denn die allermeisten Unternehmen finanzieren sich durch Bankkredite und das Kreditwachstum der letzten Jahre war zu niedrig, als dass eine Fortsetzung dieser Wachstumsrate die notwendigen Investitionen der Transformation finanzieren könnten. So reiche das Eigenkapital der Banken angesichts der Größenordnungen des Investitionsbedarfs möglicherweise für die Finanzierung der digitalen und klimaneutralen Transformation nicht mehr aus, woraus sich eine bedeutende Rolle der Verbriefung in der Transformationsfinanzierung ableite. Ein mögliches Problem sei, so Schütz, dass zwar die großen Banken die Verbriefung nutzen, um ihre Bilanz zu steuern, nicht aber die kleineren Banken, die gerade den Mittelstand finanzieren. Wissen und Skaleneffekte können diesen Unterschied erklären, den die Expertengruppe deutsche Verbriefungsplattform lösen möchte. Denn es sei für das Gelingen einer erfolgreichen Transformation essentiell, dass Banken Kredite an den Kapitalmarkt bringen.

Der Fachvortrag von Professor Pfingsten von der Universität Münster hatte die Transparenz von Verbriefungen zum Thema. Dabei stellte er heraus, dass bei der Verbriefung wesentliche Unterschiede zwischen Europa und den USA und zwischen den Zeiträumen vor und nach der Globalen Finanzmarktkrise bestehen. Vor der Finanzmarktkrise sei der Verbriefungsmarkt in den USA durch Regulierungsarbitrage, zu optimistischer Ratings für Verbriefungen, mangelnde Transparenz und Prüfung und nicht transparente Mehrfachverbriefungen gekennzeichnet gewesen, so Pfingsten. Auch wenn dies vor allem den US-amerikanischen Verbriefungsmarkt betraf, so seien auch die Verbriefungen in Europa zurückgegangen. Dazu beigetragen haben auch Verluste europäischer Banken aus US-amerikanischen Engagements. Dass sich der europäische Markt nicht von der Krise erholt habe, ist dahingehend verwunderlich, da das US-amerikanische Originate-to-Distribute-Modell der Verbriefung in Deutschland keine Anwendung fände, hierzulande kaum Mehrfachverbriefungen emittiert würden, keine Regulierungsarbitrage genutzt würde und zudem noch ein regulatorischer Selbstbehalt für den Emittenten bestehe. Zudem existiere ein European Datawarehouse als zentrale Datenbank für Verbriefungen. Zudem wies Herr Professor Pfingsten darauf hin, dass die Ratings der Verbriefungen in Europa qualitativ deutlich besser seien verglichen mit den USA. Als weitere Faktoren für das geringe Wachstum des Verbriefungsmarkts nannte er die geringe Kreditnachfrage in einigen europäischen Mitgliedsländern im Nachgang der Euro-Schuldenkrise und die Tatsache, dass staatliche Garantien in den USA stärker genutzt würden. Weitere Hindernisse seien die restriktivere Regulierung und die verschiedenen Rechts- und Steuersysteme in den einzelnen Mitgliedsstaaten, die das Pooling der Kredite schwieriger machen. Als Reformoptionen für eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts auf Seiten der Angebotsseite nannte Professor Pfingsten eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Verbriefungen durch eine Anpassung der Regulierung sowie eine Reduzierung der Komplexität und Volumenanforderungen durch Multi-Seller-Transaktionen. Als Reformoptionen für die Nachfrageseite nannte er den Abbau von Anlagerestriktionen und Kapitalanforderungen für institutionelle Investoren sowie eine Stärkung des Vertrauens in Verbriefungen durch Transparenz, Selbstbehalt und Monitoring sowie eine stärkere Betonung der Unterschiede zu den Verbriefungen aus Zeiten vor der Globalen Finanzmarktkrise. Einen weiteren Vorteil der Transparenz sieht er auch in der Stärkung der Disziplinierung durch den Markt. Zudem wird durch Transparenz vermieden, dass den Verbriefungen im Zeitablauf schlechtere Kredite hinzugefügt werden. Dies sei nämlich bisher möglich gewesen, weil die Laufzeit der Verbriefung deutlich größer sei als die durchschnittliche Laufzeit der zugrundeliegenden Kredite.

Herr Dr. Holger Sachse (BCG) trug die Möglichkeiten der Verbriefungen zur Finanzierung der grünen Transformation vor. Auch er sieht es sehr positiv, dass die Transparenz dazu beitragen würde, den Markt für Verbriefungen in Schwung zu bringen. Zudem sieht auch er einen hohen Bedarf an transformatorischer Finanzierung. Neben der Freisetzung von Eigenkapital der Banken für neue Kreditvergabe trüge die Verbriefung aber auch zu einer besseren Risikoverteilung bei und ermögliche es den institutionellen Investoren, die Kapitalanlagen suchen, sich stärker an der Finanzierung der Transformation zu beteiligen. Für grüne Verbriefungen bieten sich aus Herrn Dr. Sachses Sicht vor allem Kredite zur Finanzierung von Solardächern und Elektrofahrzeugen, die durch eine hohe Granularität geprägt sind, an. Leider, so Holger Sachse, führen grüne Verbriefungen in Deutschland noch ein Nischendasein. Zudem sei der Markt sehr volatil. Ein großes Hindernis stellt aus seiner Sicht dar, dass es keine einheitliche Nomenklatur für Nachhaltigkeit gäbe. Seiner Ansicht nach sind die folgenden Faktoren für die Belebung des Markts für grüne Verbriefungen essentiell: eine Klärung des Begriffs „grün“, vor allem, um Greenwashing zu vermeiden, eine kritische Masse an Green Assets für die Verbriefung und eine Prämie des Markts für grüne Investitionen. Damit könne dann ein „Green Virtuous Circle“ in Gang gesetzt werden, bei dem die Verbriefung grüner Kredite Eigenkapital der Banken für die Neuvergabe von grünen Krediten freisetze. Allerdings sieht er für die Übergangszeit eher Verbriefungen mit einem Nebeneinander von grünen und braunen Krediten, die aber ebenfalls Eigenkapital für die Neukreditvergabe für grüne Investments freisetzen. Seinen Fachvortrag schließt Herr Dr. Sachse damit ab, dass er die Notwendigkeit von Banken und Verbriefungsmärkten für die Finanzierung des grünen Wandels betont.

Herr Rosario Scolaro von der DZ Bank (Zentralinstitut des genossenschaftlichen Bankensektors) hielt den abschließenden Fachvortrag zur Nutzung der Verbriefung innerhalb der Genossenschaftlichen Finanzgruppe und stellte besonders auf die praktischen Erfahrungen mit der Verbriefung ab. Die Verbriefung unterstütze die Finanzierung der Realwirtschaft über Asset-Backed Commercial Paper sowie die Vorfinanzierung von Leasing-Forderungen. Dabei geht der Trend z. B. verstärkt hin zum Leasing von Dienstfahrrädern. Herr Scolaro fügte aber hinzu, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen für die kleineren Banken viel zu hoch seien, so dass diese häufig keine Verbriefungen tätigen. Neben einem ausreichenden Volumen an zu verbriefenden Krediten fehle bei kleineren Instituten häufig auch die Expertise für derart rechtlich komplexe Transaktionen sowie die technischen Mittel für die Umsetzung. Multisellertransaktionen über eine Verbriefungsplattform sei hier eine mögliche Lösung. Allerdings seien diese Art von Transaktionen in Deutschland noch eher unüblich.

Während der Diskussion wurden diese Themen vertieft. Herr Schütz plädierte für den Abbau von technischen Hemmnissen und aufsichtsrechtlicher Praxis für kleinere Banken, für die Verbriefungstransaktionen zu komplex seien. Zudem sollte es für kleinere Banken leichter möglich sein, sogenannte Multi-Seller-Transaktionen durchzuführen. Herr Dr. Sachse wies auf die Komplexität und die hohen Transaktionskosten der Verbriefung hin. Demnach seien Maßnahmen zur Reduzierung der Transaktionskosten zu begrüßen. Herr Dr. Jakoby betonte die Relevanz der Verbriefung für die Transformation in NRW vor dem Hintergrund des hohen Investitionsbedarfs, z.B. in Ladesäulen und Solardächer. Ein Teilnehmer aus dem Bereich der Sparkassen wies darauf hin, dass die Regulatorik möglicherweise nicht berücksichtige, dass viele Unternehmen erst noch auf dem Weg der Nachhaltigkeit begleitet werden müssen, aber zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht nachhaltig seien. Herr Schütz erwiderte, dass viele Kredite aus diesem Grund Transformationskredite seien, die aber möglicherweise die Taxonomie nicht erfüllen, aber trotzdem durch die Transformation der Unternehmen zur Nachhaltigkeit beitragen würden. Er war aber zuversichtlich, dass Investoren für diese Transformationskredite gefunden werden können, sofern Renditen zu erwirtschaften seien. Rosario Scolaro von der DZ Bank sprach sich ebenfalls für mehr Multi-Seller-Transaktionen aus. Diese könnten den kleinen Banken bei der Verbriefung helfen und die Förderbanken könnten zusätzlich durch Garantien unterstützen. Von Professor Pfingsten kam noch einmal die Warnung, dass das US-amerikanische Originate-to-Distribute-Modell problematisch für die Reputation der Verbriefung und deshalb nicht geeignet für europäische Transaktionen sei. Ein Vertreter der Sparkassen argumentierte, dass die Verbriefungsplattformen PROMISE und PROVIDE, über die Banken Mittelstandskredite verbriefen konnten, auch für zukünftige Verbriefungen genutzt werden könnten. Allerdings erwiderte Professor, dass sich seitdem die Regulatorik geändert habe.

Herr Professor Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft rundete die Veranstaltung mit seiner Schlussrede ab. Auch er sah eine hohe Relevanz der Verbriefung, die insgesamt auf einem guten Weg sei, in der Finanzierung der Transformation. Fin.Connect.NRW könne eine Plattform schaffen, um die einzelnen Akteure der Verbriefungsbranche zusammenzubringen, um so die Finanzierung der Realwirtschaft zu stärken.

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