1. Der Ist-Zustand der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch regulatorische Anforderungen und das gestiegene gesellschaftliche Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften. Während große Unternehmen bereits umfassenden Berichterstattungspflichten unterliegen, stellt sich für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) die Frage, inwieweit sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen müssen und welche Anforderungen auf sie zukommen. Dieser Abschnitt erläutert die aktuelle Situation der Nachhaltigkeitsberichterstattung unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie bestehender Standards und Herausforderungen. Dabei ist zu beachten, dass die Europäische Kommission kürzlich einen Reformvorschlag vorgelegt hat, der im Kern zwei Elemente beinhaltet: Reduzierung der berichtspflichtigen Unternehmen durch Erhöhung der angesetzten Mitarbeiterzahl sowie Verschiebung des ersten Berichtsjahrs auf 2027.

ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) sind insbesondere für Investoren und Finanzinstitute von Bedeutung, da sie eine Bewertung der Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens ermöglichen. Auch wenn ESG-Berichterstattung für KMU nicht verpflichtend ist, müssen sie z. B. auf Nachfrage von Banken und Investoren solche Informationen zur Verfügung stellen, um eine Finanzierung zu erhalten.

Derzeit sind KMU in Deutschland noch nicht direkt gesetzlich zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, jedoch steigen die Anforderungen durch indirekte Markteinflüsse, Vorgabe der Banken und regulatorische Entwicklungen. Die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitsthemen und die erweiterte Berichtsverpflichtung durch die CSRD werden mittel- bis langfristig auch KMU betreffen. Daher ist es für KMU sinnvoll, sich frühzeitig mit nachhaltigkeitsbezogenen Berichtsstrukturen auseinanderzusetzen, um zukünftige Anforderungen zu erfüllen und sich strategische Vorteile im Wettbewerb zu sichern. Diese Aussage gilt unabhängig davon, dass sich durch das oben beschriebene Omnibusverfahren wahrscheinlich die Vorgaben verändern oder erst später in Kraft treten. Diese veränderte europäische Regulatorik wird für Sommer / Herbst 2025 erwartet.

2. Rechtliche Rahmenbedingungen 

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland basiert auf verschiedenen nationalen und europäischen Rechtsvorschriften, die Unternehmen zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen verpflichten. Insgesamt zeigt sich, dass KMU zunehmend durch indirekte Verpflichtungen und Markterwartungen zur Berichterstattung gedrängt werden, selbst wenn sie formal nicht unter die gesetzlichen Regelungen fallen. Allerdings verfolgt die EU derzeit eine Entbürokratisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit dem vereinfachten Standard für KMU (VSME) sollen kleinere Unternehmen entlastet werden. Zudem werden im Rahmen des Omnibus-Verfahrens bestehende Offenlegungspflichten überprüft und teilweise zurückgenommen. Dennoch bleibt die Berichterstattung für KMU relevant, insbesondere in Lieferketten großer Unternehmen oder im Zugang zu Finanzierungen. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen werden im folgenden Kapitel erläutert.

2.1 Bestehende Gesetzesgrundlagen

CSR-Richtlinie / Non-Financial Reporting Directive (NFRD)

Die CSR-Richtlinie der EU wurde 2014 eingeführt und verpflichtet große kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen. Dazu gehören Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption. KMU waren nicht direkt betroffen.

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Die CSRD stellt eine bedeutende Erweiterung der NFRD dar und sah ab 2024 vor, schrittweise eine wachsende Zahl von Unternehmen einzubeziehen. So sollten die Schwellenwerte für die Berichtspflicht erheblich sinken: Demnach wären kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern berichtspflichtig. Zudem sollte die Pflicht für Unternehmen von öffentlichem Interesse gelten, wenn sie eine Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro oder einen Nettoumsatz von über 40 Millionen Euro aufweisen. Diese Regelungen hätten somit deutlich mehr mittelständische Unternehmen als zuvor erfasst. Langfristig könnten somit auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen sein, insbesondere durch indirekten Druck entlang der Lieferkette und steigende Marktanforderungen. In Deutschland ist die CSRD derzeit jedoch noch nicht vollständig in nationales Recht überführt. Die gesetzliche Umsetzung durch den Bundestag steht aus, was Unsicherheiten hinsichtlich der konkreten nationalen Anforderungen mit sich bringt. Zudem liegen mittlerweile Entwürfe der Europäischen Kommission vor, um die CSRD zu entschlacken oder die Berichtspflichten für Unternehmen zu reduzieren (das sogenannte Omnibusverfahren). Demnach sollen nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden Nachhaltigkeitsberichte erstellen und der freiwillige Berichtsstandard VSME soll vereinfacht werden. Es bleibt aber abzuwarten, welche realen Veränderungen im europäischen wie auch im nationalen Recht umgesetzt werden. Trotz der höheren Schwellenwerte könnte der Druck aber auch auf KMU steigen, wenn etwa Geschäftsbeziehungen zu Großunternehmen bestehen und diese Nachweispflichten von Zulieferern und Geschäftspartner erwarten.

EU-Taxonomie-Verordnung

Die EU-Taxonomie-Verordnung dient der einheitlichen Definition nachhaltiger wirtschaftlicher Tätigkeiten innerhalb der EU. Sie stellt Kriterien auf, anhand derer Unternehmen bewerten können, ob ihre Geschäftsaktivitäten als nachhaltig eingestuft werden. Die Zuordnung erfolgt entlang von sechs Umweltzielen, 13 Sektoren und der übergreifenden Einschätzung als „grüne“, „ermöglichende“ oder als Übergangsaktivität.

Ein zentrales Element der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Ermittlung der taxonomiefähigen sowie der taxonomiekonformen Anteile an den Geschäftsaktivitäten. Unternehmen müssen darlegen, welcher Anteil ihrer Umsätze, ihrer Investitionen (CapEx) sowie ihrer Betriebsausgaben (OpEx) taxonomiefähig ist – also in den Anwendungsbereich der Taxonomie fällt – und welcher Anteil tatsächlich taxonomiekonform ist, das heißt, die Mindestkriterien erfüllt. Taxonomiekonform bedeutet, einen signifikanten Beitrag zu einem der Umweltziele zu leisten, die anderen Umweltziele nicht zu beeinträchtigen, sowie soziale und unternehmensbezogene (Governance) Mindeststandards zu beachten. Diese Anforderungen führen dazu, dass Unternehmen (auch KMU) zunehmend mit Taxonomie-Kriterien konfrontiert werden und daher gut beraten sind, sich damit frühzeitig zu beschäftigen. 

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Ausgangspunkt war die europäische Richtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die in Deutschland durch das LKSG umgesetzt wurde. Dieses Gesetz, das 2023 in Kraft trat, betrifft Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (ab 2024: 1.000 Mitarbeiter) und verpflichtet sie zur Überprüfung ihrer Lieferketten auf Menschenrechts- und Umweltaspekte. Auch wenn KMU nicht direkt betroffen sind, werden sie als Teil der Wertschöpfungskette von großen Unternehmen dazu angehalten, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen und bestimmte Standards einzuhalten.

2.2 Bestehende Berichtsstandards und Rahmenwerke

Neben den gesetzlichen Vorgaben gibt es eine Vielzahl von freiwilligen Standards und Rahmenwerken, die für die Nachhaltigkeitsberichterstattung herangezogen werden können. Diese Standards helfen Unternehmen dabei, ihre Nachhaltigkeitsleistungen strukturiert und transparent darzustellen.

Durch die zunehmende Verbreitung dieser Standards und Rahmenwerke wird Nachhaltigkeitsberichterstattung immer stärker vorgegeben, formalisiert, aber auch – so die Intention der Gesetzgeber– vergleichbarer. Sie soll damit auf fast der gleichen Stufe wie die finanzielle Berichterstattung von Unternehmen stehen. Das wird auch daran deutlich, dass viele Unternehmen beide Berichte zusammenhängend, also integriert, erstellen und veröffentlichen.

European Sustainability Reporting Standard (ESRS)

Der ESRS bildet den regulatorischen Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der CSRD. Er legt detaillierte Berichtsanforderungen fest, die Unternehmen bei der Offenlegung ihrer ökologischen, sozialen und Governance-bezogenen Auswirkungen erfüllen müssen. Ein zentrales Prinzip ist die doppelte Wesentlichkeit, die sowohl finanzielle als auch ökologische und soziale Auswirkungen eines Unternehmens berücksichtigt. Mit der Wesentlichkeitsanalyse und den damit verbundenen Sichtweisen „durch“ und „auf“ das Unternehmen sollen nur die jeweils wesentlichen Punkte definiert werden, die die jeweiligen Unternehmen berichten müssen. Der ESRS umfasst sektorübergreifende und sektorspezifische Standards, wobei die allgemeinen Standards bereits verabschiedet wurden und weitere für spezifische Branchen folgen. Für KMU wird derzeit ein vereinfachter Standard (VSME) entwickelt, um den Berichtsaufwand zu reduzieren. Digitale Tools helfen Unternehmen, die komplexen Anforderungen umzusetzen, indem sie ESG-Daten erfassen, Wesentlichkeitsanalysen automatisieren und CSRD-konforme Berichte erstellen. Damit soll der ESRS eine einheitliche und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU sicherstellen und Investoren sowie anderen Stakeholdern eine fundierte Entscheidungsgrundlage bieten.

Global Reporting Initiative (GRI)

Die GRI-Standards sind weltweit anerkannt und werden von Unternehmen jeder Größe genutzt, um ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen zu dokumentieren. Der modulare Aufbau erlaubt es KMU, je nach ihren Ressourcen und Berichtsanforderungen einen abgestuften Ansatz zur Berichterstattung zu wählen. Die Berichterstattung nach GRI erleichtert die Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen und verbessert die Transparenz gegenüber Stakeholdern.

Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)

Der DNK wurde speziell für deutsche Unternehmen entwickelt und bietet eine niederschwellige Möglichkeit, Nachhaltigkeitsinformationen zu strukturieren und offenzulegen. Er umfasst 20 Kriterien, die sich auf ökologische, soziale und Governance-Aspekte beziehen. Der DNK wird nicht mehr weiter gepflegt und geht praktisch in die europäischen Standards ESRS über.

Sustainable Development Goals (SDGs)

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) dienen Unternehmen als Orientierung, um ihre Nachhaltigkeitsstrategie mit globalen Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen. Unternehmen können anhand der SDGs ihre Geschäftsstrategien ausrichten und Fortschritte in Bezug auf nachhaltige Entwicklung dokumentieren.

2.3 Herausforderungen für KMU 

KMU stehen vor mehreren Herausforderungen bei der Einführung und Umsetzung einer strukturierten Nachhaltigkeitsberichterstattung:

  • Ressourcenknappheit: Viele KMU verfügen nicht über spezialisierte Nachhaltigkeitsabteilungen oder die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen für eine umfassende Berichterstattung.
  • Komplexität der Anforderungen: Die Vielzahl an existierenden Standards und gesetzlichen Regelungen erschwert es KMU, eine für sie passende Berichtsstrategie zu entwickeln.
  • Druck aus der Wertschöpfungskette oder von Banken: Große Unternehmen fordern zunehmend Nachhaltigkeitsinformationen von ihren Lieferanten, sodass KMU indirekt Berichtspflichten erfüllen müssen. Auch die Banken fragen zunehmend Nachhaltigkeitsdaten ab, weil sie über die Bankenregulatorik ebenfalls über ihre Anteile an grüne Investitionen berichten müssen (die so genannte Green Asset Ratio) und dabei an die EU-Taxonomie gebunden sind.
  • Fehlende Digitalisierung: Die Erfassung und Auswertung von Nachhaltigkeitsdaten ist in vielen KMU noch nicht digitalisiert, was die Effizienz der Berichterstattung beeinträchtigt.

 

3. KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich rasant weiter und findet zunehmend Anwendung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. z.B. Wamba et. al. 2021 oder Dauerer et. al. 2025). Für Unternehmen kann KI eine wesentliche Unterstützung bieten, indem sie Prozesse automatisiert, Datenerhebungen optimiert und Analysen verbessert. Insbesondere in Zeiten wachsender regulatorischer Anforderungen und komplexer Berichtsstandards eröffnet KI-Unternehmen neue Möglichkeiten, effizient und transparent zu berichten. Im Folgenden werden die wichtigsten Kompetenzen, Risiken und Potenziale von KI im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung erörtert.

3.1 Generelle Funktionen

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, indem er Prozesse automatisiert, Datenanalysen verbessert und regulatorische Anforderungen effizienter umsetzt. Die wichtigsten Funktionen und ihr Nutzen:

  • Automatisierung der Datenerhebung und -verarbeitung: KI-Systeme erfassen und standardisieren ESG-Daten aus verschiedenen Quellen, darunter Nachhaltigkeitsberichte, Lieferkettenanalysen und regulatorische Vorgaben. Dies reduziert manuellen Aufwand, minimiert Fehler und beschleunigt Berichtsprozesse.
  • Erkennung von Mustern und Zusammenhängen: Machine-Learning-Algorithmen identifizieren Korrelationen zwischen Umwelt-, Sozial- und Unternehmensfaktoren. So können Unternehmen gezielt Verbesserungspotenziale erkennen und ihre Nachhaltigkeitsstrategie optimieren.
  • Erstellung präziser und regulatorisch konformer Berichte: KI-gestützte Systeme prüfen Berichte auf Vollständigkeit, erkennen Inkonsistenzen und gewährleisten die Einhaltung von Standards wie CSRD, ESRS oder GRI. Automatisierte Textvorschläge verbessern die Berichtsqualität und Verständlichkeit.
  • Risikomanagement und vorausschauende Analysen: Durch Predictive Analytics lassen sich ESG-Risiken frühzeitig erkennen. KI analysiert Anomalien in Daten und hilft Unternehmen, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um finanzielle oder reputative Schäden zu vermeiden.

Trotz der zahlreichen Vorteile birgt der Einsatz von KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Herausforderungen und Risiken. Diese müssen beachtet und durch geeignete Maßnahmen adressiert werden:

  • Mangelnde Transparenz und Erklärbarkeit: Viele KI-Modelle arbeiten mit komplexen Algorithmen, deren Entscheidungsfindung für Unternehmen nicht immer nachvollziehbar ist („Black Box“-Problem). Dies kann insbesondere bei regulatorischen Prüfungen problematisch sein, da Unternehmen nachweisen müssen, wie bestimmte Berichte zustande kommen.
  • Abhängigkeit von qualitativ hochwertigen Daten: KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. Fehlerhafte, unvollständige oder verzerrte Daten können zu ungenauen Berichterstattungen und Fehlinterpretationen führen. Dies kann zu fehlerhaften Nachhaltigkeitsstrategien führen und regulatorische Risiken bergen. Die Zugänglichkeit von Daten in Lieferketten erfordert oft einen hohen Aufwand.
  • Datenschutz und ethische Fragestellungen: Der Einsatz von KI in der ESG-Berichterstattung erfordert den Zugriff auf eine Vielzahl von sensiblen Daten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie Datenschutzrichtlinien und ethische Standards einhalten. Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen können nicht nur rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch das Vertrauen der Stakeholder in die Berichterstattung schädigen.
  • Technologische Hürden für KMU: Während große Unternehmen oft über ausreichende Ressourcen verfügen, um KI-Systeme zu implementieren, stehen KMU häufig vor finanziellen und technischen Herausforderungen. Die Integration von KI erfordert Investitionen in Know-how und Infrastruktur, was für viele kleine Unternehmen eine erhebliche Hürde darstellen kann, insbesondere fehlende oder unzureichende Datenquellen / Datenqualität, wenn auch Zulieferer beachtet werden müssen.

KI kann die Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich verbessern, indem sie Prozesse automatisiert, Berichte optimiert und Risiken frühzeitig erkennt. Herausforderungen wie Datenqualität, Transparenz und technologische Hürden müssen jedoch beachtet werden, insbesondere für KMU. Eine strategische Implementierung kann langfristig die Effizienz steigern, Kosten senken und die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung erhöhen.

3.2 Maschinenlesbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten

Ein entscheidender Aspekt für den effizienten Einsatz von KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Maschinenlesbarkeit von Berichten. Viele Unternehmen erfassen und veröffentlichen ESG-Daten bislang in nicht standardisierten Formaten, was die automatisierte Verarbeitung erschwert. Die CSRD verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Nachhaltigkeitsberichte im European Single Electronic Format (ESEF) einzureichen. Dieses Format kombiniert XHTML für die menschliche Lesbarkeit mit Inline XBRL (iXBRL), das eine maschinelle Verarbeitung ermöglicht.

Strukturierte Formate wie XBRL (eXtensible Business Reporting Language) oder JSON ermöglichen eine effizientere Analyse und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten. KI kann diese Formate nutzen, um Berichte automatisch zu prüfen, Inkonsistenzen zu identifizieren und regulatorische Vorgaben mit Unternehmensdaten abzugleichen. Durch Natural Language Processing (NLP) lassen sich zudem unstrukturierte Dokumente (z. B. PDF-Berichte oder Webseiteninhalte) in strukturierte Daten umwandeln, wodurch relevante Informationen extrahiert und verarbeitet werden können. Dies reduziert den manuellen Aufwand und erhöht die Qualität und Genauigkeit der Berichterstattung.

Für Unternehmen (auch für KMU) bietet die Einführung und Standardisierung maschinenlesbarer Berichtsformate erhebliche Vorteile. Zum einen wird die interne Datenstruktur optimiert, da ESG-Daten einheitlich erfasst und verarbeitet werden. Zum anderen profitieren Unternehmen von einer höheren Transparenz gegenüber Investoren, Banken und Regulierungsbehörden, die die ESG-Daten oder Berichte für automatisierte Bewertungen und Risikoanalysen nutzen. Unternehmen, die frühzeitig auf standardisierte Berichtsformate setzen, können sich zudem strategische Vorteile sichern, indem sie regulatorische Anforderungen schneller und effizienter erfüllen.

3.3 Tools und Softwarelösungen

Im Folgenden werden verschiedene digitale Tools und Softwarelösungen vorgestellt, die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützen können. Die Nennung dieser Tools stellt keine Empfehlung dar, sondern dient ausschließlich der Veranschaulichung derzeit verfügbarer technischer Möglichkeiten. Die Tools sind nach kostenfreien und kostenpflichtigen Lösungen gegliedert. 

 

3.3.1 Kostenfreie Tools

ecocockpit der Effizienz-Agentur NRW:

DNK-Datenbank und Berichtsplattform (Rat für Nachhaltige Entwicklung):

  • Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) stellt eine kostenlose Online-Plattform zur Verfügung, auf der Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte erstellen, verwalten und veröffentlichen können.
  • Die Plattform bietet strukturierte Eingabemasken auf Basis der 20 DNK-Kriterien und unterstützt durch Hilfetexte und Beispiele.
  • Besonders geeignet für KMU, die einen Einstieg in die Berichterstattung suchen und an Transparenz gewinnen möchten.
  • Link: https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/

 

3.3.2 Kostenpflichtige Tools

Wesentlichkeitsanalyse:

  • Softwarelösungen wie SASB Materiality Finder, Datamaran oder Navigator helfen Unternehmen, relevante Nachhaltigkeitsthemen gemäß der doppelten Wesentlichkeit (finanzielle und ökologische Auswirkungen) zu identifizieren.
  • KI-gestützte Tools analysieren branchenspezifische Risiken und vergleichen diese mit regulatorischen Anforderungen. Datamaran nutzt beispielsweise KI-basierte Textanalyse, um regulatorische, mediale und unternehmensinterne Dokumente auszuwerten. Die KI dient hier v. a. der systematischen Extraktion von ESG-Risiken aus strukturierten und unstrukturierten Daten. Die eingesetzten Modelle sind regelbasiert und auf bestimmte Quellen spezialisiert. Navigator (E&Y) greift auf strukturierte Datenbanken und regelbasierte Auswertungen zurück; der KI-Anteil ist begrenzt und auf die Automatisierung bestehender Klassifikationen fokussiert – ein umfassendes „Lernen“ über neue Themenfelder erfolgt bislang nicht automatisch.

Datenmanagement und Automatisierung:

  • Plattformen wie Sphera, Worldfavor oder Enablon ermöglichen die automatische Erfassung, Konsolidierung und Analyse von ESG-Daten aus verschiedenen Quellen.
  • Cloud-basierte Systeme bieten eine zentralisierte Datenspeicherung und erleichtern die Integration in bestehende Unternehmensprozesse.

ESG-Reporting und Compliance:

  • Lösungen wie Workiva, Reporting 21 oder Greenomy unterstützen Unternehmen bei der Erstellung CSRD- und ESRS-konformer Nachhaltigkeitsberichte.
  • Viele dieser Tools bieten vorstrukturierte Berichtsvorlagen und Exportfunktionen für verschiedene Stakeholder.
  • Greenomy bietet ein modulares System zur Umsetzung der CSRD-/ESRS-Anforderungen mit integriertem Regelwerk. Die KI-Anwendung beschränkt sich derzeit auf automatisierte Text- und Regelinterpretationen innerhalb der Plattform (z. B. Zuordnung von Kennzahlen zu Berichtspflichten). Eine eigenständige Analyse oder Interpretation von Unternehmensdaten durch generative KI erfolgt nicht.

Lieferketten- und Risikomanagement:

  • Plattformen wie EcoVadis oder Integrity Next helfen Unternehmen, die Nachhaltigkeitsleistung ihrer Lieferanten zu bewerten und regulatorische Anforderungen entlang der Lieferkette zu überwachen. 

Spezifische Zielgruppen (KMU) oder Regionalbezug:

  • Beispielsweise unterstützt ProEco, eine Ausgründung der Sparkassen im Rheinland, mit einem ganzheitlichen Lösungsangebot zum Thema Nachhaltigkeit Unternehmen und Immobilienbesitzer. Sie bieten integrierte Beratung, Software für die Berichterstattung und / oder für Treibhausbilanzierungen an. 

 

4. Schlussfolgerung

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird für KMU in Deutschland in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter rapide an Bedeutung gewinnen. Dennoch bestehen gegenwärtig Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen Entwicklung regulatorischer Anforderungen und der konkreten Umsetzung der CSRD auf nationaler Ebene. Auch politische Veränderungen, wirtschaftliche Krisen oder geopolitische Entwicklungen könnten die Dynamik der Regulierung und die Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen beeinflussen.

Trotz dieser Unsicherheiten sprechen zahlreiche Anzeichen dafür, dass das Thema Nachhaltigkeit auch weiterhin eine zentrale Rolle in Unternehmensstrategien einnehmen wird. Durch gesellschaftlichen Druck, die Anforderungen von Investoren und Banken sowie durch Marktmechanismen geraten auch KMU zunehmend in die Pflicht, ihre ESG-Daten strukturiert und nachvollziehbar aufzubereiten.

KI bietet ein enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung. KI kann insbesondere bei der Automatisierung von Datenerhebung, Analyse und Berichtserstellung unterstützen und gleichzeitig Risiken frühzeitig identifizieren. Voraussetzung dafür ist jedoch eine solide Datenbasis und die Nutzung maschinenlesbarer Formate, um die Verarbeitung durch KI-Systeme zu ermöglichen. Dabei zeigt sich: Viele der für die Nachhaltigkeitsberichterstattung notwendigen Daten können mit bereits vorhandenen oder kostenlosen Tools erfasst und verarbeitet werden. Die Herausforderung liegt weniger im Zugang zu den Daten als in deren systematischer Aufbereitung. Es ist daher essenziell, vor der Auswahl eines Tools zu prüfen, ob dieses auch die Erstellung maschinenlesbarer Berichte (z. B. im XBRL- oder XML-Format) unterstützt.

Die Auswahl geeigneter Software kann durch gezielte Internetrecherche und Beratung deutlich erleichtert werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Einsatz einer umfassenden Lösung, die mehrere Funktionen wie Datenerhebung, Analyse, Visualisierung und Berichtsausgabe integriert, deutlich effizienter ist als der parallele Einsatz mehrerer Einzellösungen. Ein integrierter Ansatz reduziert Schnittstellenprobleme, spart Ressourcen und sorgt für eine konsistente Datenbasis.

Insgesamt empfiehlt es sich für KMU, frühzeitig mit der Digitalisierung und Strukturierung ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beginnen – auch wenn Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen Regulierungslandschaft bestehen. Dies schafft nicht nur die Grundlage für regulatorische Konformität, sondern stärkt auch das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern und Kapitalgebern. Die Verbindung aus rechtlich fundierter Berichtsstruktur, digitaler Datennutzung und intelligenten Technologien wie KI eröffnet KMU neue Wege, um Nachhaltigkeit strategisch und wirtschaftlich wirksam zu gestalten.


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