Die Transformationsfinanzierung ist auch bei der Finanzaufsicht ein großes Thema. Zwar forcieren die Finanzaufsichtsbehörden das Thema Nachhaltigkeit nicht selbstständig. Sie müssen dies aber immer mehr in ihre Aufsichtsarbeit integrieren. Denn es bedarf an Transparenz über die aus Klimawandel und der daraus resultierenden Transformation entstehenden Risiken und geeigneter Instrumente, um diese zu adressieren.

Die Politik hat in den vergangenen Jahren verschiedene Strategien zur Bewältigung des Klimawandels aufgestellt. Der European Green Deal und die EU-Taxonomie auf europäischer Ebene und das Klimaschutzgesetz, die Systementwicklungsstrategie, und den Climate Action Plan auf Bundesebene. Diese Strategien betreffen auch den Finanzsektor, beispielsweise durch Sustainable Finance Strategien. Auch die Finanzaufsichtsbehörden entwickeln zunehmend Sustainable Finance Strategien, da sie die Risiken des Klimawandels und der daraus notwendigen Transformation des Finanzsektors analysieren und bewerten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat im Rahmen der 7. MaRisk-Novelle auf prüfungspflichtige Anforderungen an die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken hingewiesen. Die Novelle trat am 29. Juni 2023 in Kraft. Diese Risiken umfassen Umweltaspekte wie auch soziale und Governance-Aspekte. Die ESG-Risiken fallen dabei in die folgenden drei Klassen:

  • Physische Risiken durch den Klimawandel: Ein Beispiel hierfür ist die Anzahl an Tagen, in denen die Flüsse nicht oder nur eingeschränkt beschiffbar sind. Dies kann sowohl bei Hochwasser als auch bei Niedrigwasser der Fall sein. Hieraus resultieren Unterbrechungen der Lieferketten, die zu Liquiditätsproblemen bei Unternehmen führen und damit auch ihre finanzierenden Banken betreffen. Ähnliche Risiken resultieren aus Dürre und Waldbränden. Die Flutkatastrophe im Ahrtal ist ein weiteres Beispiel für ein physisches Risiko, da nicht nur reale Vermögenswerte von Unternehmen durch die Flut zerstört wurden, sondern auch der Boden, auf dem die Produktionsanlagen standen, was zum Totalverlust für die Unternehmen führen kann und damit ein Kreditausfallrisiko für die finanzierenden Banken darstellt.
  • Transformationsrisiken durch die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft: Unternehmen, die klimaneutral werden wollen, müssen in neue Produktionsanlagen investieren, die neuen Klimastandards entsprechen. Wie bei jeder Investition kann es zu Misserfolgen kommen, auf die die Unternehmen keinen Einfluss haben. Vielleicht gelingt es den Unternehmen, ihre Produktion klimaneutral zu gestalten, doch erhöhen sich dadurch die Produktionskosten, für welche mögliche Nachfrager nicht bereit sind, höhere Preise für das Endprodukt zu bezahlen. Ein geringerer Umsatz bei den Unternehmen würde dann ihre Möglichkeiten zur Tilgung von Krediten einschränken und damit ein Risiko für die finanzierenden Banken darstellen.
  • Operationelle und Reputationsrisiken: Diese Risiken entstehen, wenn ein Unternehmen scheinbar nachhaltige Vorprodukte bezieht und verarbeitet, die sich im Nachhinein aber als nicht-nachhaltig erweisen. Dieses Risiko besteht nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Finanzinstitute, wenn sie grüne Finanzprodukte anbieten, die sich im Nachhinein als Greenwashing herausstellen.

Im Rahmen der Bankenaufsicht müssen diese Risiken der Transformation von Aufsichtsbehörden beobachtet, bewertet und adressiert werden. Von der BaFin werden sie als Teil ihrer Aufsicht behandelt und nicht in eine neue Risikokategorie überführt. Klimarisiken spiegeln sich demnach in Form der üblichen Risikokategorien Kreditrisiken, Marktrisiken, operationellen Risiken, Haftungs- und Reputationsrisiken, versicherungstechnischen Risiken und strategischen Risiken wider. Im Hinblick auf diese Risiken müssen Banken ausreichend Eigenkapital vorhalten, um unerwartete Verluste abdecken zu können. Aus Sicht der BaFin bestehen die Herausforderungen an das Risikomanagement der Banken aber darin, die Klimatransformationsrisiken in die etablierten Risikoklassen zu übersetzen.

Die BaFin weist auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Aufsichtspraxis hin. Hierzu hat sie folgendes Rollenverständnis entwickelt:

  • Die BaFin sieht Nachhaltigkeit grundsätzlich im Sinne von ESG-Aspekten, und legt einen Schwerpunkt auf die Dekarbonisierung.
  • Die BaFin sieht ESG-Risiken als Teil ihrer regulären Aufsicht an, wobei sie keine eigenen umwelt-, sozial- oder wirtschaftspolitischen Ziele verfolgt oder Finanzflüsse lenkt. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt ihrer Arbeit beim Thema Nachhaltigkeit darin liegt, zu überprüfen, wie Banken die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in ihr Risikomanagement übersetzen.
  • Die BaFin hat nicht die Aufgabe, ein nachhaltiges Finanzsystem zu fördern, sie sorgt lediglich für eine integres und stabiles Finanzsystem. Den Trend hin zu einem nachhaltigen Finanzsystem behandelt sie demnach wie alle Markttrends aus Sicht der Finanzmarktintegrität und der Finanzmarktstabilität.
  • Die BaFin legt keine Bewertungskriterien für die ESG-Wirksamkeit von Anlagestrategien oder Finanzprodukten fest, sondern beaufsichtigt die Umsetzung der ESG-Transparenzpflichten durch Unternehmen und bei Finanzprodukten. Hierzu gehört beispielsweise der Schutz der Anleger vor Irreführung. Die Prävention und die Bekämpfung von Greenwashing sind hier entscheidend.

 

Relevanz der Nachhaltigkeit

Für die Finanzaufsicht ist das Thema Nachhaltigkeit nicht nur aus der Risikoperspektive relevant. Die Aufsichtsbehörden müssen auch überprüfen, dass eine Konsistenz zwischen den verschiedenen Finanzmarktsektoren herrscht und dass eine Proportionalität sowie eine Praxistauglichkeit bestehen. Zudem bedarf es einer Rechtssicherheit bei der Auslegung der neuen Regeln.

Zuverlässige Daten zu finanziellen Klimarisiken sind von entscheidender Bedeutung, da sie die insbesondere im Bankwesen die Grundlage für finanzielle Entscheidungen (z.B. Kreditvergabe) bilden. Aus Sicht der Finanzaufsicht ist es deshalb auch relevant, wie die beaufsichtigten Institute ihre Nachhaltigkeitsrisiken offenlegen und über Umweltrisiken informieren.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt ebenfalls eine Sustainable Finance Strategie, die sie mit der Erkenntnis begründet, dass der Klimawandel Risiken für die Wirtschaft und den Finanzsektor birgt. Daher ist es unerlässlich, die Auswirkungen des Klimawandels und der Dekarbonisierung auf die Wirtschaft zu berücksichtigen, um sowohl die Geldwertstabilität als auch die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten. Allerdings geht sie in ihrer Strategie über das Monitoring der Risiken hinaus. Vielmehr erkennt sie im Rahmen ihres Mandats auch einen eigenen Anteil in der Förderung der Dekarbonisierung. Konkret definiert sie hierbei ihre Aufgabe in der Förderung von Sustainable Finance und dem Schaffen von Anreizen zur Dekarbonisierung des Finanzsystems.

Die European Banking Authority (EBA) hat als Ergänzung zu ihrem Sustainable Finance Aktionsplan eine Roadmap entwickelt. Diese beinhalteten Maßnahmen zur Offenlegung von ESG-Risiken, die Einbeziehung von ESG-Faktoren in das Risikomanagement von Finanzinstituten sowie in ihren Aufsichtsansatz, zum Beispiel im Rahmen von Klimastresstests. Zudem will sie an der Entwicklung von grünen Standards und Labels mitwirken, die dem Greenwashing entgegenwirken sollen.

Die Transformationsfinanzierung kann von Seiten der Finanzaufsicht aus der mikroprudenziellen als auch aus der makroprudenziellen Sicht behandelt werden:

  • Die mikroprudenzielle Sicht behandelt Risiken aus Sicht einer einzelnen Bank. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Stabilität einzelner Institute gegenüber den Risiken, die aus Klimawandel und Transformation entstehen.
  • Die makroprudenzielle Sicht behandelt Risiken aus Sicht des Finanzsystems. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes in Bezug auf Risiken, die aus dem Klimawandel und der Transformation resultieren.

Aus der makroprudenziellen Sicht können die Risiken aus Klimawandel und Transformation entlang zwei Dimensionen entstehen:

  • In der Querschnittsdimension können Risiken für das Finanzsystem entstehen, wenn ein wichtiges Institut eine besonders hohe Exposure (d.h. Risikoaussetzung) gegenüber Sektoren eingegangen ist, die durch den Klimawandel oder Transformationsrisiken betroffen sind. Dies kann auch der Fall sein, wenn Vermögenswerte zu Stranded Assets (also Vermögenswerte, die im Zuge der Transformation an Wert verlieren) werden, z.B. beim Übergang von Verbrennungsmotoren zu elektrischen Motoren. Aus der makroprudenziellen Sicht entsteht hier aber keine neue Risikokategorie, sondern es handelt sich um die bekannte Too-big-to-Fail-Problematik, wenn eine große Bank hier besonders hohe Exposures gegenüber CO2-intensiven Branchen aufweist.
  • In der zeitlichen Dimension entstehen makroprudenzielle Risiken, wenn Finanzinstitute gemeinsame Risikofaktoren aufbauen. In der Zeit vor der Globalen Finanzkrise waren dies Risikopositionen mit einem Bezug zum US-Immobilienmarkt. Im Rahmen von Klimawandel und Transformation könnten sich ebenfalls gemeinsame Risikopositionen aufbauen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannt oder unauffällig sind.

Insgesamt zeigt sich, dass der Klimawandel und die Transformation auch für die Finanzaufsicht relevante Themen sowie relevante Risikoquellen sind. Diese lassen sich zwar in die etablierten Risikokategorien integrieren und im Rahmen der etablierten Aufsichtsinstrumente angehen. Doch sind der Umfang und die Komplexität der Regulierung stark angestiegen, was sich auch in der Aufsichtspraxis widerspiegeln wird.


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