Für die Transformation des Landes NRW müssen hohe Investitionsvolumina nicht nur in bestehende, sondern auch in Zukunftstechnologien finanziert werden. Denn die notwendigen Technologien für eine gelungene Transformation sind nur zum Teil ausgereift. Deshalb stellt sich die Frage, welche Finanzierung zu welchem Reifegrad der benötigten Technologien passt und wie Fin.Connect.NRW die Finanzierung dieser Technologien unterstützen kann.

Um die Chancen der Transformation in sich wandelnden Märkten zu nutzen, müssen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen oft unter einem höheren Grad von Ungewissheit über die tatsächlichen Erfolgsaussichten getroffen werden. Beispielsweise kann bei einem Portfolio von Finanzierungsengagements ex ante nicht mit Sicherheit gesagt werden, was am Ende des Tages die „Perlen“ sein werden und wo es zu Ausfällen kommen kann. Daher sind Diversifizierung und Risikomanagement in der Praxis von entscheidender Bedeutung. Das betrifft auch die Frage, inwieweit mit Eigenkapital und/oder mit Krediten (ggf. mit Haftungsentlastungen) finanziert werden sollte oder inwieweit andere Finanzierungsinstrumente hilfreich sein können (Zuschüsse, Verbriefungen etc.). Wichtig ist auch, dass Investierende und Finanzierende einen „längeren Atem“ mitbringen und nicht schon relativ kurzfristig einen return on investment erwarten.

Die für die Transformation notwendigen Technologien haben einen unterschiedlichen Reifegrad. So handelt es sich bei Solaranlagen und Windkrafträdern um weitgehend ausgereifte Technologien, die unmittelbare Anwendung im Markt finden und für die Transformation ausgebaut werden müssen. Hier geht es vor allem um die Finanzierung hoher Investitionsvolumina. Anders sieht es bei Stromspeicherung, Kohlenstoffabscheidung und -einlagerung und Wasserstofftechnologie aus. Denn diese sind teilweise noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium oder kurz vor der Marktreife. Damit weist die Finanzierung dieser Technologien einen Risikogehalt auf, der häufig für eine Bankkreditfinanzierung zu hoch ist.

Messung des Reifegrades von Technologien für die Transformation

Für die Messung des Reifegrades von Technologien haben sich zwei Systeme etabliert. Das eine ist das von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA entwickelte Technological Readiness Level (TRL) und das andere ist der Commercial Readiness Index (CRI). Die NASA misst den Reifegrad von Technologien von TRL 1 bis TRL 9, wobei auch letzteres noch keine kommerzielle Marktreife ist, sondern lediglich den erfolgreichen Abschluss von Forschung und Entwicklung darstellt. TRL 9 bedeutet dann beispielsweise, dass ein Prototyp den Test in einem Windkanal oder einer ähnlichen Testinfrastruktur bestanden hat. Dieser Indikator endet also, bevor das Marketing des Produktes beginnt oder eine Vertriebsstruktur aufgebaut ist. CRI 1 umfasst hingegen TRL 1 bis zum Beginn von TRL 8. CRI 2 beginnt in der zweiten Hälfte von TRL 8 und endet zu Beginn von TRL 9. CRI 4, CRI 5 und CRI 6 gehen über TRL 9 hinaus. Bei CRI 3 ist Forschung und Entwicklung erfolgreich abgeschlossen. Bei CRI 4 und CRI 5 liegt bereits ein marktfähiges Produkt vor, dessen Hersteller aber ein First-Mover ist, der den kommerziellen Erfolg der Technologie erst noch am Markt erleben wird. Erst bei CRI 6 liegt eine etablierte Technologie vor, die dann ein Later Adopter nach und nach in seinem Unternehmen und für seine Produkte umsetzt. Windkrafträder und Solaranlagen entsprechen beispielsweise CRI 6. Wer seine Produkte mit grünem Strom produziert, hat somit auch eine inkrementelle Innovation aufzuweisen. Hingegen sind die Abscheidung und Einlagerung von Kohlenstoff bei CRI 4 einzuordnen. Hochleistungsstromspeicher liegen hingegen derzeit zwischen TRL1 und TRL6.

Finanzierung von Forschung und Entwicklung

Der Reifegrad spielt für die Finanzierung eine Rolle. Denn nicht jedes Finanzierungsinstrument passt zu jedem Reifegrad. Bei TRL 1 bis TRL 3 liegt Grundlagenforschung vor, die über Research Grants finanziert werden kann. Hierbei handelt es sich häufig über Forschung aus Universitäten oder Forschungseinrichtungen, die mit Unternehmen kooperieren. Es können hierzu zum Beispiel Mittel bei Horizon Europe eingeworben werden. Für TRL 4 bis TRL 6, der industriellen Forschung, kann auf Development Grants zurückgegriffen werden. Der EIC-Accelerator ist ein Förderinstrument der EU für innovative Startups und KMU, die an Innovationen arbeiten, die ein hohes Potenzial für den technologischen Fortschritt haben, aber auch mit den entsprechenden Risiken verbunden sind. Zusätzlich fördern nationale Förderprogramme, wie das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand oder KMU-innovativ bis TRL 5 oder 6. Das KMU-Instrument aus Horizon 2020 förderte sogar bis TRL 9.

Seed Capital beginnt bei TRL 7 nur zögerlich mit der Finanzierung von Technologien, so dass hier ein Finanzierungsengpass für Technologien vorliegt, der in der Literatur als „Valley of Death“ bezeichnet wird. Problematisch ist an dieser Stelle, dass der Cash-flow häufig noch negativ ist. Es liegt somit keine Marktbereinigung zwischen guten und schlechten Ideen vor, sondern eine Marktunvollkommenheit, weil auch gute Ideen bei diesem Reifegrad aufgrund von fehlenden Anfangsrenditen, fehlendem Personal oder fehlender Infrastruktur nicht unbedingt eine Finanzierung finden. Um das Valley of Death abzumildern, setzt die EU das KMU-Instrument ein. Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm für Innovative KMU, das speziell das Valley of Death adressieren und abmildern soll. Der Fokus liegt hier bei Innovationen, die im Bereich der Weiterentwicklung sind, z.B. Demonstratoren, klinische Studien und Arbeiten zur Erlangung der Zulassung. Das Budget liegt bei 10 Mrd. Euro über einen Zeitraum von sieben Jahren.

Finanzierung von Wachstum

Bei TRL 8 bzw. CRI 2 beginnt die Venture Capital Finanzierung. Allerdings kann bei CRI 4 und CRI 5 eine Valley of Stagnation liegen, wenn Geschäftsmodelle wegen fehlender Finanzierung nicht ausreichend skaliert werden können. Auch hier kann es passieren, dass Unternehmen mit guten Ideen aus dem Markt ausscheiden müssen, weil sie ihr Produkt nicht skalieren können. Herausforderungen in der Finanzierungsrunde B sind für die Unternehmen häufig der Aufbau von geeignetem Personal sowie der Aufbau von Vertrieb und Marketing. Bei der Finanzierungsrunde C liegt der Fokus auf der Expansion in neue Märkte und auch schon in einer möglichen Übernahme von Konkurrenten. Für eine Kreditfinanzierung ist es häufig noch zu früh oder diese findet nur unter sehr hohen Zinsen statt. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs ist es aber auch schwieriger, Venture Capital Investoren zu finden. Um dieses Valley of Stagnation abzumildern, hat die Europäische Investitionsbank die European Tech Champions Initiative ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um einen Fund-of-Funds, der es Later-Stage Venture Capital Fonds in der EU ermöglichen möchte, so stark zu wachsen, dass sie die Unternehmen besser mit Scale-up Kapital versorgen können.

Finanzierung der Transformation

Bei CRI 6 haben die Technologien die volle Marktreife und können dann auch über Bankkredite finanziert werden, da an dieser Stelle robuste Cash-Flows vorliegen. Innovationen sind nun nicht mehr disruptiv, sondern inkrementell, d.h. es handelt um Produkt- und Prozessverbesserungen bei bestehenden etablierten Produkten bzw. Geschäftsmodellen. Dies ist der Großteil der Innovationen in Unternehmen. An dieser Stelle kann aber ein „Lack of Techology Diffusion“ vorliegen, wenn Banken nur restriktiv Kredite vergeben, beispielsweise weil ihr Eigenkapital nicht ausreicht. Im Hinblick auf die immensen Investitionsvolumina für die Transformation kann das Eigenkapital der Banken durchaus einen Engpassfaktor darstellen, so dass ein Lack of Techology Diffusion entstehen kann. An dieser Stelle kann die Verbriefung helfen, das benötigte Eigenkapital der Banken für die Transformation freizusetzen. Für die Absicherung von Kreditportfolien aus KMU-Krediten bietet die Europäische Investitionsbank auch Absicherungsinstrumente wie Garantien an. Wichtig bei der Verbriefung ist, dass Banken dadurch keine Kredite vergeben, die sie ohne die Verbriefung nicht vergeben hätten. Dieses Originate-to-Distribute Modell hat zur Globalen Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 beigetragen, weil zu hohe Risiken eingegangen wurden, da Anreize bestanden, diese weiterzureichen. In eine Verbriefung sollten deshalb nur hochwertige Kredite aufgenommen werden. Deshalb sollte die Verbriefung nicht eingesetzt werden, um Finanzierungsengpässe zu lösen, die eigentlich mit Venture Capital finanziert werden sollten. Für die Förderung der Verbriefung zur Unterstützung der Transformation existiert eine Expertengruppe Verbriefungsplattform bei der Deutschen Bundesbank.

Auch wenn es sich bei der Finanzierung von inkrementellen Innovationen nicht mehr um eine Hochrisikofinanzierung handelt, so bringt die Transformation höhere Risiken hervor. Unternehmen müssen hohe Investitionsvolumina finanzieren, so dass ihr Verschuldungsgrad steigt, was auch mit einem Verlust an Bonität verbunden ist. Gleichzeitig können Unternehmen aber auch ihre Bonität herabgestuft bekommen, wenn sie zu spät in die Transformation ihres Geschäftsmodells investieren. Wenn nämlich die Nachfrage sich hin zu nachhaltigeren Produkten verlagert, dann geht dies zum Nachteil der Cash-Flows der Unternehmen, die noch keine nachhaltigen Produkte anbieten. Dies kann dann aus Sicht der Banken ein Bonitätsrisiko darstellen. Zudem müssen die Unternehmen damit rechnen, dass die Banken ihre sogenannten Portfolioemissionen, also den CO2-Gehalt der von ihnen vergebenen Kredite, verringern möchten, so dass Unternehmen, die sich zu spät transformieren, mit Finanzierungsengpässen rechnen müssen.

Wie kann Fin.Connect.NRW die Finanzierung der Transformation verbessern?

Für die erfolgreiche Bewältigung der Transformation sind Innovationen notwendig – einige haben bereits die Marktreife erreicht, andere warten noch auf den Durchbruch. Bei allen Reifegraden treten aber Finanzierungsengpässe auf, die es zu überwinden gilt. Häufig helfen schon Informationen über die Beantragung von Zuschüssen sowie Förderinstrumenten oder Finanzmarktakteuren, die zum jeweiligen Unternehmen passen. Aufgabe von Fin.Connect.NRW ist es, Informations- und Wissenslücken zu schließen und Unternehmen und Finanzmarktakteure zusammenzubringen. Dazu gehören Informationskampagnen für Unternehmen aus NRW und überregionale Informationskampagnen, um auch Investoren mit Unternehmen in NRW zu vernetzen.

Wichtig dabei ist auch die wissenschaftliche Begleitung des Themas Transformationsfinanzierung sowie das Zusammenwirken mit Finanzaufsichtsbehörden. Denn die Transformation ist mit Risiken verbunden, die auch angemessen verteilt werden müssen – also von denjenigen getragen werden müssen, die auch in der Lage sind, höhere Risiken zu tragen, ohne dabei in Schieflage zu geraten. Der Lebensphase eines Unternehmens entsprechend sind andere Finanzierungsformen zweckmäßig, beispielsweise Venture Capital bei innovativen, technologieorientierten Startups. Aber auch bei der Bankfinanzierung muss die Risikoaufteilung zwischen Banken und Förderbanken stimmen.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat am 14. Juni 2023 die Stärkung von Fin.Connect.NRW beschlossen. So soll die Vernetzung der Stakeholder weiter gestärkt und eine Informationskampagne entwickelt werden, um den Bekanntheitsgrad von Fin.Connect.NRW zu erhöhen. Das am 13. Juni 2023 vom Kabinett beschlossene Klimaschutzpaket umfasst ebenfalls die Stärkung von Fin.Connect.NRW als wichtiger Baustein zur Finanzierung der Transformation in NRW.


Ansprechpartner:in